Nicht nur die Grafensöhne sind nach entsprechender Vorbildung zum Studium — meist natürlich Theologie — geschickt worden. Als Beispiel seien nur genannt Schneidewein und Thomas Müntzer. Sogar Stipendien wurden für förderungswürdige Kinder gezahlt, z. B. gab es ein „Henning-Oppermann-Stipendium" u. a. Außerdem war die Schule bis um 1930 immer der Kirche und dem Grafen-, später Fürstenhaus nicht nur eng verbunden sondern direkt unterstellt. Auch wenn der Magistrat der Stadt bestimmte Rechte und Pflichten dabei zu erfüllen hatte. — Als ein Beispiel kann hierbei die Einstellung des Lehrers Fritz Rauhe im Jahre 1919 dienen: der Magistrat suchte den Bewerber für das Lehramt aus und schlug ihn dem Fürstlich Stolbergischen Konsistorium zur Ernennung vor. Die Einstellung erfolgte dann durch dieses mit den Unterschriften des Kammerdirektors (im Auftrag des Fürsten), des Konsistorialrates und des Pfarrers. Ebenfalls wurde durch das Konsistorium die Kontrolle ausgeübt. In der Regel waren gleichzeitig mit den schulischen auch kirchliche Aufgaben verbunden (hier z. B. Kirchner der Stadtkirche). Der Nachweis einer Stolberger Schule reicht weit bis vor die Reformation zurück.
Der Hauptzweck bestand in der Herausbildung von Chorschülern für den Kirchendienst. Den Knaben wurde das Singen, etwas Latein und notdürftige Kenntnisse im Schreiben und Lesen beigebracht. Auch im römischen Katechismus wurden sie unterwiesen.
Geleitet wurde diese Schule von einem geistlichen Vikar. Den Kirchengesang leitete der Kantor. Außerdem wurden als Fachmänner „Schulmeister" eingestellt, welche die Lehrkunst handwerksmäßig betrieben. — Es waren dies meist „...verkommene Studenten oder verlaufene Mönche...", die von Schule zu Schule zogen und ihre Dienste anboten. Sie gelobten im sogenannten „Schulmeistereid" außer dem schuldigen Gehorsam gegen die geistlichen Herrn „... Sorgfalt in der Bildung, Zucht und Aufrechterhaltung der Ordnung in der Schule..."
Die Schüler, zum Teil arme Kinder, wirkten als Sänger nicht nur beim Gottesdienst, sondern auch bei Prozessionen, Begräbnissen und anderen Feierlichkeiten mit. Dafür erhielten sie ein geringes Entgelt und aus kirchlichen Stiftungen an bestimmten Tagen etwas zu essen und zu trinken.
Die Reformation schaffte hier eine gründliche Wandlung mit dem Ziel, der Kirche sich in der Schule „ ... eine Gehilfin zur Verbesserung der Bildung und Gesittung im Volke zu erziehen..."
Luthers Aufruf von 1524 „... an die Ratsherren aller Städte Deutschlands, dass sie christliche Schulen aufrichten und halten sollen ..." gilt als Stiftungsurkunde der deutschen Volksschule und blieb auch in Stolberg nicht unerhört.
Nach dem Weggang Spangenbergs aus Stolberg nahm Platner, Pfarrer an der Kirche St. Martini und Erzieher der Grafensöhne Wolfgang und Ludwig, selbst das Schulwesen in die Hand und führte zunächst 1528 mit dem Rat eine neue Schulordnung ein. Diese erlegte auch der städtischen Obrigkeit Rechte und Pflichten in bezug auf die Schule auf. Dies hatte eine Hebung der materiellen und sozialen Lage des Lehrerstandes zur Folge — es gab für die Schulmeister „Sommer- und Winterlohn" von den Schülern sowie Holz zum Heizen. Maßgebend für die Organisation des Unterrichtes wurde der von Melanchthon erarbeitete Schulplan von 1528. Demzufolge gab es 3 Abteilungen, die Untere, die Mittlere und die Oberklasse. Wesentliche Inhalte der Ausbildung waren nach wie vor Erlernen und Lesen von Gebeten, Psalmen, Gebote, der Bibel und des Katechismus. Aber auch das Erlernen und Üben der lateinischen Sprache und Grammatik sowie das Lesen von poetischen und prosaischen lateinischen Schriften gehörten zum Unterricht.
Wo sich das Schullokal vor 1700 befand ist mir nicht bekannt, aber am 9. Oktober 1711 wurden die 3 Klassen im Rathaus eingeweiht.
In späteren Jahren gab es die Schulpflicht für alle Kinder und sogar Strafen für deren Nichtteilnahme am Unterricht. Im Stolberger Anzeiger veröffentlichte man u.a. folgenden Artikel:
Um den zeitherigen Versäumnissen der Kinder in der hiesigen Stadtschule Einhalt zu thun, so ist von der Wohllöbl. Kirchen- und Schulinspektion hieselbst an die Lehrer gedachter Schule die Aufforderung ergangen, vom 1 sten Juli d. J an genaue Listen über die Schulversäumnisse anzufertigen, mit der Versicherung, dass dieselben dann der Hochgräfl. Polizey- Deputation Behufs Bestrafung der nicht entschuldigten oder als entschuldigt anerkannten Versäumnisse übergeben werden würden. Zugleich ist den Lehrern die Weisung gegeben worden, in den Fällen, wo Eltern Schulversäumnisse ihrer Kinder absichtlich veranlassen oder dulden, davon Anzeige bei Wohllöbl. Polizei zu machen, welche dann die Kinder durch den Diener zur Schule bringen lassen wird.
Um aber die resp. Eltern der schulpflichtigen Kinder vor dergleichen Unannehmlichkeiten sicher zu stellen, so ersuchen wir sie, die, wegen etwaiger Nothfälle unvermeidlich werdenden Schulversäumnisse ihrer Kinder bei den betreffenden Lehrern vorher anzuzeigen und zu entschuldigen, und wenn letztere die Entschuldigungsgründe nicht für hinreichend erachten zu dürfen glauben, deßhalb die Cognition des Rektors zu suchen. Dagegen werden auch unvermeidliche Schulversäumnisse, deren Entschuldigung aber verspätet oder ganz unterlassen wird, gleich den leichtsinnigen von Wohllöbl. Polizey Deputation gerügt werden.
Stolberg den 2. Julius 1829
Das hiesige Schullehrer — Kollegium.
Kießler, Rektor
Die Stadtschule im Rathaus und am Plan 8 (heute Am Markt 15), sowie die Höhere Privatschule in der Niedergasse (heute Nr. 26), am Plan 11 (heute Am Markt 19 ) und dann in der Rittergasse 90 sorgten für die Bildung der Kinder. Auch die Höhere Privatschule des Dr. Köhn in der Neustadt und im Thyratal 6 sowie die Mädchenschule in der Neustadt Nr.133
(heute Nr.14) sollen hier genannt werden.
Es wurde in Stolberg nicht nur der Volksschul- / Grundschulabschluss, sondern auch der Schulabschluss für die Zulassung zu höheren Lehranstalten ermöglicht. (Nach dem 2. Weltkrieg wurden die Privatschulen abgeschafft und nach 1960 die 10-klassige polytechnische Oberschule für alle Kinder geschaffen).
Mit dem Neubau und der Einweihung der Volksschule in der Rittergasse 71 wurde im Jahre 1911 ein modernes Schulgebäude mit 7 Klassenräumen, 1 Lehrerzimmer und einem Nebenraum geschaffen. Es gab auch einen ordentlichen Außenbereich mit 2 Schulhöfen (für Knaben und Mädchen getrennt ). — Das war für die Stadt nicht billig. Deshalb hat die Stadtverordnetenversammlung am 03. November 1911 die Erhöhung der Aufnahme einer Anleihe für den Schulneubau von 30.000 auf 35.000,- RM beschlossen.
Aber ganz treffend wurde schon während der Einweihungsfeierlichkeiten festgestellt, dass noch eine Sporthalle und eine Aula nötig wären. — Sport wurde erst im Freien (ab Mai 1861 auf einem Turnplatz vor dem Rittergässer Tor auf einem Teil der sogenannten Reitbahn) und dann in der Schürzenfabrik — Niedergasse 22 durchgeführt bevor die neue Turnhalle im Jahre 1979 bei der Schule errichtet wurde.
Aus Geschichten, Schnärzchen, und andere Begebenheiten von und über Stolberg /Harz, Heft 4
Mit frdl. Genehmigung von Siegfried Oppermann
|